Einer geht, einer kommt...
Bei der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum klappt das nicht immer, dass „Einer geht, einer kommt“. Manchmal kommt keiner - Licht aus, Tür zu. Auch in Bietigheim-Bissingen blieben zwei Hausarztpraxen vakant, ohne Nachfolger. Patienten waren „übrig“. Der Versorgungsgrad mit Hausärzten/-innen, bezogen auf eine 100%-Vollversorgung, lag bei uns bei 82%. Generell Gründe dafür gibt es viele.
Fast 40% der Hausärzte sind über 60 Jahre alt. Es scheiden mehr aus als sich niederlassen. Junge Ärzte/-innen haben (zu?) großen Respekt vor der Niederlassung, scheuen das Risiko einer eigenen Praxis, möchten Teilzeit arbeiten, werden abgeschreckt durch überbordende Bürokratie und finanzielle Haftung beim Verschreiben von Medikamenten, Hilfsmitteln und Krankengymnastik. Ich habe gerade einen Medikamentenregress einer großen Krankenkasse am Hals. Eine Sauerei!
Trotzdem halte ich die Angst vor Regressen für insgesamt übertrieben. Manches hat sich gebessert, es bleibt aber noch viel zu verändern. Wenn auch meiner Meinung nach die Einzelpraxis niemals aussterben wird (dazu hat sie unbestreitbar zu viele Vorteile), geht der Trend momentan zu Gemeinschaftspraxen, Ärztezentren und Zweigpraxen. Um Arztpraxen zu halten oder neue zu bekommen, schaffen viele Kommunen bereits Anreize zur Niederlassung wie preiswerte Grundstücke und Mieten oder bauen ein Ärztehaus. Ein kommunales Ärztehaus wird unsere Stadt, entgegen anderslautender Äußerungen, in den nächsten Jahren eher nicht brauchen, da wir uns in 2017 wieder der Vollversorgung nähern, wie man hört, neue Praxen hinzukommen, der Bestand gehalten, manchmal sogar erweitert wird.
Auch ich habe eben jetzt eine zusätzliche Hausarztpraxis übernommen, die ich als Zweigpraxis weiter betreiben werde. Also nicht Licht aus, Tür zu! Deshalb verabschiede ich mich heute von Ihnen als Politiker. Ich habe Oberbürgermeister Kessing und die Verwaltung der Stadt gebeten, Schritte einzuleiten, mich zum Jahresende von meinen Aufgaben als Stadtrat zu entbinden. Das Ausscheiden fällt mir schwer. Ich habe viel gelernt in dieser Zeit, es hat Spaß gemacht. Demokratie, wortwörtlich Herrschaft des Volkes, wohnt in den Gemeindeparlamenten. Die Institution Gemeinderat hat mich sehr mit den Unzulänglichkeiten der Parteien und der parlamentarischen Demokratie versöhnt. Nicht die einfachen Rezepte von Links und Rechts, sondern das Ringen um Kompromisse zeichnet Demokratie aus. Maul aufreißen ist einfach. Freiheit ist nicht Schwarz-Weiß, sondern Dialektik. Aristoteles grüßt heftig. Sie entschuldigen meinen Eifer.
Zwei Arztpraxen und Politik, beides zusammen geht für mich nicht mehr. Mit einem breiten Grinsen und einem Augenzwinkern möchte ich Sie auffordern, wieder (und noch mehr) FDP zu wählen, dann verteilte sich die Arbeit nicht nur im Gemeinderat auf mehrere Schultern. Auf jeden Fall möchte ich mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen bedanken. Immerhin hat mir jede(r) Zehnte in Bietigheim-Bissingen seine Stimme für den Landtag gegeben. Auch dafür herzlichen Dank.
Einer geht, einer kommt. Mein Nachfolger wird Götz Noller sein, der als Architekt mit seinem Fachwissen bestens in den Technischen Ausschuss einer umtriebigen Stadt passt. Ihm alles Gute!
Und die FDP? Die hat so viele gute Leute, besonders augenfällig in der Gesundheitspolitik, dass sie mich nicht braucht. Ich verabschiede mich. Die FREIEN DEMOKRATEN werden immer meine politische Heimat sein. Einen schönen Tag wünsch ich.
Dr. Dieter Baumgärtner