Wie üblich fand auch dieses Jahr wieder im Dezember die Haushaltsdiskussion statt. Für die FDP- Fraktion sprach der Fraktionsvorsitzende Götz Noller folgende Rede:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kessing,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Hanus,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Wolf,
verehrte Ehrengäste,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,
sehr geehrte Damen und Herren,
man muss sich zur Zeit viel Mühe geben, die politischen Ebenen in ihrer jeweiligen Bedeutung richtig zu sortieren ohne den Überblick auf ihre gegenseitigen Einflüsse und Abhängigkeiten zu verlieren. Natürlich haben die Koalitionsverhandlungen in Berlin die Szene beherrscht, aber wir sollten darüber nicht vergessen, dass es im Land schon einen Koalitionsvertrag
gibt, der die finanziell ohnehin gebeutelten Kommunen durchaus in noch größere Bedrängnis bringen könnte. Oder können wir einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn trotz einer Politik des
billigen Geldes die Inflation 5 Prozent, Tendenz steigend, beträgt und der Präsident der Bundesbank die Brocken hinschmeißt?
Wie war das vor 100 Jahren?
Da trat die Reichsregierung zurück, nachdem die alliierten Siegermächte im Londoner Ultimatum die deutschen Reparationszahlungen auf 132 Milliarden Goldmark festgesetzt hatten und die bis dahin aufgestaute Inflation zu galoppieren begann. Was danach passierte, ist Ihnen bekannt, meine Damen und Herren. Davor brauchen wir uns heute nicht zu fürchten. Wir sind nicht die Weimarer Republik von 1921, aber eines sollten wir doch gelernt
haben: Man bringt nur Geld in Umlauf, das durch einen Gegenwert gedeckt ist. Das ist der Euro, allen Pessimisten zum Trotz, noch immer und unsere Zahlen sind es auch, obwohl im Ergebnishaushalt 5,7 Millionen Euro fehlen.
Wir bejahen die beiden Grundelemente unseres Haushaltes:
die moderate Erhöhung auf der Einnahmenseite und die auf das Notwendige beschränkten Ausgaben. Wir werden dem Haushalt und der mittelfristigen Finanzplanung zustimmen und
verbinden damit den Dank an Herrn Dörr und seine Mannschaft von der Kämmerei, die diesen Haushalt einer Pandemie und deren begleitenden wirtschaftlichen und
organisatorischen Pressionen abgetrotzt haben.
Was würde eine spendable Ausgabenpolitik zum Beispiel für unsere Bauvorhaben
bedeuten?
Ich zitiere aus einem gescheiten Artikel in der ZEIT:
„Sind etwa plötzlich Milliarden Euro für Bauprojekte da, und es mangelt zugleich weiterhin an Bauarbeitern und Material, dann wir nicht etwa viel mehr gebaut, sondern alles Bauen wird teurer“.
Die Konsequenzen hat der Oberbürgermeister in einem Zeitungsinterview vom 27. Oktober benannt: Investitionen in die Pflichtaufgaben!
Der Rest wird auf bessere Zeiten aufgeschoben, zum Beispiel der Neubau des Hallenbads. Damit ist die Katze aus dem Sack. Nur: Wer hängt ihr die Schelle um, wenn das Bissinger Hallenbad nicht mehr betrieben werden kann und Reparaturen nicht mehr möglich sind? Die tröstende Botschaft wird dann lauten: „Wir haben immerhin EIN Hallenbad. Andere Städte vergleichbarer Größe haben KEINES“. Die Frage, ob man sich nicht in guten Zeiten mit dem Thema hätte näher befassen können, gilt dann vermutlich als taktlos. Dringend angeraten sei auch ein engagierterer Aufgriff des, im damaligen städtebaulichen Wettbewerb aufgerufenen, Themas der IBA-Beteiligung des Bogenviertels. Sowohl die städtebauliche Qualität als auch die energetische Ausrichtung muss, auch dem Anspruch der Folgegenerationen gerecht werden. Gebäude und insbesondere neue Stadtteile überdauern üblicherweise die damaligen Erschaffer. Erfreulicherweise hatte sich die Bietigheimer Wohnbau schon 2017 am Bau der Zukunft versucht. Das im Standard des sogenannten „Aktiv Plus Hauses“ realisierte Mehrfamilienhaus mit 22 Wohneinheiten steht in Stuttgart Möhringen. Es produziert mehr Energie als die Bewohner verbrauchen. Der Strom – Überschuss kann, tatsächlich nachhaltig, in Elektromobilität in beträchtlichem Umfang genützt werden. Die Teilnahme an der „Internationalen Bauausstellung 2027“ in Bietigheim-Bissingen, ganz einfach, oder? Der Neubau Turnhalle mit Mensa an der Hillerschule wurde, zu unserem Bedauern,
auch 2021 nicht fertiggestellt. Nach wie vor galoppieren Bauzeit und Baukosten in die wenig erfreuliche Richtung. Ein Schelm wer Parallelen zum Berliner Flughafen zieht. Was unsere Fraktion schon im Juli 2018 befürchtete ist nun Realität und damit meine ich nicht nur die 10 Mio. € Hürde. Insbesondere, dass mehr als eine ganze Generation an Grundschülern, auch die Bietigheimer Zeitung berichtete am vergangenen Donnerstag darüber, seit Ende 2017 bis alsbald Ostern (?) 2022, einen eingedampften Schulhof, mit Bauzaun und dahinter stattfindendem Baulärm, bespielen mussten. Bei den Personalausgaben liegen wir mit 43 Millionen, zweieinhalb Millionen über dem Nachtragshaushaltsplan. Diesmal entfällt der Hauptanteil mit einer halben Million auf Tarif- und Besoldungserhöhungen. Es sollen per Saldo über alle Tarifgruppen nur 0,72 neue Stellen geschaffen werden. Da blühen hinsichtlich unserer aus dem Boden gestampften neuen Kindergärten keine Illusionen. Einerseits müssten wir dafür zusätzliche Erzieher-innen einstellen, andererseits wissen wir, dass wir die nicht bekommen.
Erinnern wir uns an jene Vorjahre, als die Stellen im deutlich zweistelligen Bereich
vermehrt wurden und wir den Haushalt ablehnten, dann ist das natürlich ein
erfreuliches Maßhalten. Zeitgleich haben wir drei Spitzenpositionen neu besetzt. Dass gerade meine Fraktion damit besondere Erwartungen verknüpft, dürfte niemand verwundern,
waren wir es doch, die wir in den vergangenen Jahren mit Kritik an der Arbeit der Verwaltungsspitze nicht gespart haben. Waren wir diplomatisch, verflüchtigte sie sich alsbald; wurden wir deutlich, galt es, mit larmoyantem Unterton vorgetragen, als Schlag unter die Gürtellinie. Wir werden die Arbeit der Verwaltung weiterhin kritisch und wie unter zivilisierten Menschen üblich begleiten.
Unserem Oberbürgermeister gratulieren wir zum jüngsten Karriereschritt auf der europäischen Leichtathletik Bühne. Da ist schon noch Luft nach oben. Der Gemeinderat hat auf Vorschlag der Verwaltung beschlossen, dass die Stadt 13 mobile Raumluftfilter für Schulräume und 38 Geräte für Kindertagesstätten beschafft. Die Hälfte der Kosten übernimmt das Land, für die Stadt verbleiben 125.000,- €. Geliefert werden die Geräte im Frühjahr 2022. Am Ende einer an Kuriositäten reichen Debatte hat die FDP gegen diese Variante gestimmt. Noch immer fehlen Studien, die den Nutzen solcher Geräte in derartigen Räumen belegen. Das ist schon in Schulräumen schwierig, im Flur einer Kita, denn da sollen sie hin, übersteigt es unsere Vorstellung. Wir verkennen keineswegs die Gemütslage der Besorgnisträger, aber der Gedanke daran, dass wir im nächsten Herbst, wenn die Kinder vielleicht geimpft sind, über ein stattliches Lager Elektroschrott verfügen, ist nicht besonders amüsant.
Meine Damen und Herren,
es waren in diesem Jahr wohl mehrere Kräfte am Werk um die Klimapolitik aus dem Niemandsland zwischen Konferenzsaal und Demonstration in die Bürgernähe, sprich die Kommune zu befördern. Unabhängig voneinander haben 4 Fraktionen Anträge mit dem Ziel gestellt, mit dem Klimaschutz in Bietigheim-Bissingen ernst zu machen und das vor dem von der Europäischen Union gesetzten Termin von 2050. Die FDP hat sich am Beispiel der Stadt Tübingen orientiert, wohl wissend, dass unsere Stadt deren Aktivitäten nicht 1 zu 1 übernehmen kann. Unser Antrag beschränkt sich deshalb auf die Erstellung einer CO2-Bilanz und eines Aktionsplans. Wir haben dem Vorschlag der Stadt zugestimmt, sämtliche klimabezogenen Anträge zu bündeln und in cumulo zu prüfen.
Meine Damen und Herren,
vor 100 Jahren begründete der Pfarrer Hans Völter den „Bietigheimer Tag“. Er schrieb dazu im Evangelischen Gemeindeblatt:
„Der Bietigheimer Tag ist ein Versuch, mit der Forderung nach der politischen Neutralität der Kirche ernst zu machen und eine vorurteilslose, sachliche, zugleich von persönlicher Wärme und Hingabe getragenen Auseinandersetzung zwischen Kirche und Sozialismus herbeizuführen“. Aus der politischen Neutralität ist eine Liebesbeziehung zwischen einer bestimmten politischen Partei und einer christlichen Konfession geworden. Die eine verfügt über Einnahmen aus der Parteienfinanzierung, die andere aus der Kirchensteuer.
Die Stadt Bietigheim-Bissingen scheint aber hinter dieser Veranstaltung einen hohen Gegenwert zu erblicken, beläuft sich doch ihre Förderung auf jährlich 1.000,- €, im Jubiläumsjahr 2021 gar auf 4.000,- €. Ich tue mich schwer, mir das zu erklären. Aber vielleicht haben beide Institutionen nur bei Matthäus im 7.ten Kapitel nachgeschaut:
„Bittet, so wird euch gegeben,
suchet und ihr werdet finden,
klopfet an, so wird euch aufgetan.“
Möge es Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
wenn es einmal darauf ankommen sollte, ähnlich ergehen.
Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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UND DIE ÜBERHÖHTE GRUNDSTEUER?